«Wer Lebensmittel mit Giftstoffen verkauft, sollte das deklarieren müssen, nicht umgekehrt.» Ein Gespräch mit Pola Rapatt und Theresa Prüssen, Co-Geschäftsführerinnen Unternehmen Mitte.
Das Unternehmen Mitte legt seit jeher Wert auf Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen. Braucht’s da überhaupt ein Bio-Zertifikat?
Die Umstellung auf Bio begann eigentlich schon vor zehn Jahren, als wir erste Bio-Limos und Bio-Milch einkauften. Danach kam Gemüse dazu, wenige Jahre später waren neunzig Prozent der Rohstoffe in unserer Küche bereits bio. Das Bio-Zertifikat ist bei uns also nur die Spitze des Eisbergs. Wir sehen das Zertifikat als weiteren Schritt zur Bewusstseinsbildung – sowohl bei unseren Gästen als auch bei anderen Betrieben. Wir hoffen, dass wir mit diesem Schritt eine Vorbildfunktion einnehmen.
Welche Bereiche umfasst das Zertifikat?
Das Zertifikat umfasst alle Gastrobereiche unseres Hauses – Kaffeemobile, Kaffeehaus, Restaurant, Catering und die Bäckerei. Der Laden ist nicht als Bio-Laden deklariert, dennoch findet man dort vor allem Bio-Produkte. Am schwierigsten ist sicherlich der Kaffee. Qualität und Röstprofil sind ganz genau auf uns abgestimmt, das lässt sich nicht von heute auf morgen in so grossen Mengen umstellen. Fünfzig Prozent der Kaffeemischung stammen von Produzenten aus Indien und Peru, die beide biozertifiziert sind. Die andere Hälfte stammt von der Kooperative APAS in Brasilien, die noch nicht biozertifiziert ist. Aber momentan prüft die APAS weitere Schritte, um noch mehr ihrer Mitglieder für die biologische Produktion zu gewinnen.
In einem Bio-Betrieb kann man auch «Nicht-bio-Sachen» konsumieren – wie genau geht das auf?
Produkte, die nicht biozertifiziert sind, werden als solche ausgewiesen. Das sind beispielsweise Spirituosen, die «Läckerly» oder «Beggeschmütz».
Warum habt ihr euch für Bio und nicht für eine andere Zertifizierung entschieden?
Vieles, was wir beziehen, ist Demeter, Knospe oder EU-Bio – im Dreiländereck ist Letzteres ein wichtiger Punkt, da viele unserer Zuliefer*innen aus dem nahen Ausland stammen. Am liebsten verarbeiten wir Demeter-Produkte, weil sie die höchste Qualität haben.
Was sind aus deiner Sicht die Schwächen des Bio-Zertifikats?
Das Zertifikat bringt einen grossen Verwaltungsaufwand mit sich. Alle Rezepte und Zutaten werden erfasst und hinterlegt, das ist schon ziemlich bürokratisch – bei uns sind das viele Hunderte Zutaten und Produkte. Für mich ist der Status quo eine verkehrte Welt: Wer Lebensmittel mit Giftstoffen verkauft, sollte das deklarieren müssen, nicht umgekehrt. Ein weiterer Nachteil ist sicherlich, dass man die Produkte von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die sich diese Zertifizierung nicht leisten können, oder auch selbst gesammelte Pilze aus dem Wald als «nicht bio» ausweisen muss. Schlussendlich überwiegen die Vorteile aber deutlich: Man einigt sich mit den Gästen auf einen gemeinsamen Standard. Und der zeigt sich nicht nur als Label, sondern meistens auch im Geschmack!